Verschwörungsglaube seit der Covid-19-Pandemie
Schon in den ersten Monaten der Covid-19-Pandemie entwickelten sich Verschwörungserzählungen über deren Ursprünge zu einem zentralen Bestandteil der Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung. Die »Querdenken«-Bewegung trägt den Zweifel an gesellschaftlichen Gewissheiten als zentralen Bezugspunkt im Namen; etablierte rechtsradikale Akteure integrieren die Pandemie umstandslos in bestehende Verschwörungserzählungen. Spätestens mit den gemeinsamen Protesten dieser Akteure im August 2020 in Berlin rückten Verschwörungserzählungen in den Fokus der öffentlichen Debatten über die Bekämpfung der Pandemie und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Auch nach Aufhebung der meisten Anti-Corona-Maßnahmen und einem massiven Rückgang der Protestmobilisierung durch Querdenken & Co. halten diese Debatten an. Verschwörungserzählungen über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine[1] schließen nahtlos an jene über die Pandemie an. Das schürt Sorgen über eine dreifache Herausforderung, welche die deliberative Demokratie auf die Probe stellt: die anhaltenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, die Verbreitungsmöglichkeiten für Verschwörungserzählungen in sozialen Netzwerken und Messengern sowie dort strategisch durch bspw. Russland lancierte Desinformation.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich der Verschwörungsglaube in der Bevölkerung während und nach der Covid-19-Pandemie entwickelte: Gibt es einen »Corona-Effekt«, der den Verschwörungsglauben in der Bevölkerung nachhaltig verstärkt hat?
Um sich einer Antwort zu nähern, werden im vorliegenden Beitrag zunächst die Begrifflichkeiten der politischen wie wissenschaftlichen Debatte über Verschwörungsglauben sortiert. Anschließend werden drei Theorien zu seinen Ursachen vorgestellt und anhand einer Analyse von Daten des Niedersächsischen Demokratie-Monitors (NDM) 2021 geprüft.[2] Die Ergebnisse dieser Analyse werden abschließend mit anderen Studien zur Entwicklung von Verschwörungsglauben seit der Pandemie kontextualisiert.
Begrifflichkeiten
Die akkurate begriffliche Bezeichnung von Verschwörungsglaube wird in der Wissenschaft anhaltend diskutiert. Gemeinsamer Kern aller Konzepte ist der Begriff der Verschwörung. Um eine solche handelt es sich laut Karl Hepfer, wenn sich eine Gruppe im Geheimen organisiert und Aktionen plant, um einen Vorteil für sich und ggf. einen Nachteil für den Rest der Bevölkerung zu bewirken.[3]
Ausgehend von dieser Definition hat eine Verschwörungserzählung das Ziel, zunächst nicht erklärbare Ereignisse in der Gesellschaft durch das konspirative Zusammenwirken einer Verschwörung zu erklären.[4] Michael Barkun stellt drei wesentliche Komponenten auf, die eine Verschwörungserzählung beinhalten muss: »nothing happens by accident«, »nothing is as it seems« und »everything is connected«.[5] Mit Verschwörungsglaube kann schließlich die individuelle Einstellung, an eine solche Verschwörungserzählung zu glauben, beschrieben werden.
Der Begriff der Verschwörungstheorie ist umstritten, da der Begriff der Theorie einen wissenschaftlichen Gehalt impliziert, den Verschwörungserzählungen nicht aufweisen.[6] Während wissenschaftliche Theorien durch gegenteilige Beweise widerlegbar sind, immunisieren sich Verschwörungserzählungen gegen eine Widerlegung: Jeder Gegenbeweis zeige nur, wie mächtig die Verschwörung sei.[7] Dies heißt nicht, dass sich eine Verschwörungserzählung nicht auch als wahr herausstellen könnte – auch wenn tatsächliche Verschwörungen äußerst selten sind und strukturell kaum geheim bleiben können.[8] Verschwörungserzählungen sind jedoch, anders als wissenschaftliche Theorien, nicht auf eine Überprüfung ausgelegt. Aus diesen Gründen wird hier dem Begriff der Verschwörungserzählung der Vorzug gegeben.
Eine zweite Differenzierung wird mit dem Begriff der Verschwörungsmentalität im Gegensatz zum Verschwörungsglauben vorgenommen. Serge Moscovici versteht unter einer Verschwörungsmentalität die grundlegende Haltung, hinter gesellschaftlichen und politischen Ereignissen und Entwicklungen das Handeln einer Verschwörung zu wittern.[9] Sie ist folglich eine vergleichsweise stabile Disposition, generell für Verschwörungserzählungen empfänglich zu sein.[10] Damit geht sie über die (zeitweise) Zustimmung zu einzelnen Verschwörungserzählungen etwa zur Covid-19-Pandemie hinaus und ist damit das passendere Konzept, um langfristige Verschiebungen jenseits der Konjunktur einzelner Verschwörungserzählungen in der Bevölkerung zu beschreiben.
Verschwörungsmentalität in Niedersachsen
Im NDM 2021[11] wird eine solche Verschwörungsmentalität durch die Zustimmung zu drei Aussagen auf einer Skala von 1 (lehne voll und ganz ab) bis 4 (stimme voll und ganz zu) gemessen (alle Frageformulierungen der Analyse finden sich in Tabelle 2 im Anhang). Eine Verschwörungsmentalität ist bei knapp einem Viertel bis zu einem Drittel der niedersächsischen Bevölkerung vorhanden (Abb. 1). Für die folgende Analyse wurde aus der Zustimmung zu den drei Aussagen ein Index zur Verschwörungsmentalität gebildet, der die jeweiligen Skalenwerte für jede:n Befragte:n aufaddiert, und durch die Kombination der drei Antworten eine Verschwörungsmentalität verlässlicher misst.
Erklärungsansätze für eine Verschwörungsmentalität
Die Literatur diskutiert drei potenzielle Erklärungen für die Entwicklung einer individuellen Verschwörungsmentalität: Der erste Ansatz fokussiert auf langfristige soziodemografische Merkmale, der zweite auf mittelfristige politische Einstellungen und der dritte auf kurzfristige psychologische Krisenreaktionen. Im Folgenden werden diese Ansätze vorgestellt und anhand einer Sekundäranalyse der Daten des NDM 2021 für die niedersächsische Bevölkerung statistisch geprüft. Hierzu wurde eine lineare Regression durchgeführt, die den Einfluss der drei Erklärungsansätze gleichzeitig modelliert und damit über die bisherige Analyse im NDM 2021 hinausgeht (Tabelle 1). Die Ergebnisse erlauben eine erste Einschätzung, wie nachhaltig ein potenzieller »Corona-Effekt« sein könnte.
Für die Erklärung einer Verschwörungsmentalität durch soziodemografische Merkmale findet sich in der bisherigen Literatur die schwächste Evidenz; es zeigen sich kaum Zusammenhänge.[12] Lediglich die Auswirkung eines geringen Bildungsstandes auf eine höhere Verschwörungsmentalität lässt sich belegen.[13] Jan-Willem van Prooijen stellt allerdings fest, dass dieser Zusammenhang durch psychologische Faktoren vermittelt wird: Personen mit einer höheren Bildung verspüren in der Regel mehr Kontrolle über ihr Leben und über ihr Umfeld. Daher haben sie ein geringeres Bedürfnis, gesellschaftliche Entwicklungen durch externe Faktoren wie eine Verschwörung zu erklären.[14] Auch für die Ausprägung einer Verschwörungsmentalität in Niedersachsen während der Covid-19-Pandemie zeigt sich in unserer Analyse lediglich ein Einfluss des Bildungsniveaus – dieser ist jedoch auch bei Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren signifikant (Tabelle 1).
Politische Kultur und Verschwörungsmentalität
Für den Einfluss politischer Einstellungen auf die Ausprägung einer Verschwörungsmentalität gibt es weit mehr Evidenz. So zeigen Joanne Miller et al., dass ein niedriges Vertrauen in politische Institutionen und ein hohes politisches Wissen eine Verschwörungsmentalität begünstigt. Personen mit mehr politischem Wissen hätten oft gefestigtere Meinungen und wollten für diese Bestätigung finden – zur Not unter Rückgriff auf Verschwörungserzählungen.[15] Sie seien bemühter und auch fähiger, Verschwörungserzählungen mit ihrem eigenen Weltbild in Verbindung zu bringen und dieses dadurch zu stützen.[16] Geringeres Vertrauen in politische Institutionen hingegen begünstige Verschwörungsmentalitäten, da sich eine Entfremdung vom politischen System ähnlich wie ein geringer formeller Bildungsstand in ein niedriges Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben und das gesellschaftliche Umfeld übersetze.[17]
Im NDM 2021 sind Fragen zum Vertrauen in politische Institutionen und zur Demokratiezufriedenheit vorhanden. Beide darüber gemessenen Einstellungen weisen in unserer Analyse den erwarteten Effekt auf eine Verschwörungsmentalität statistisch signifikant nach (Tabelle 1): Je unzufriedener die Befragten mit der Demokratie waren und je weniger Vertrauen sie in die Bundesregierung hatten, desto stärker zeigten sie eine Verschwörungsmentalität. Dieser Zusammenhang kann sich dann zu einem mittelbaren »Corona-Effekt« entwickeln, wenn die Covid-19-Pandemie das Vertrauen in politische Institutionen und die Demokratie insgesamt langfristig beschädigt.
Verschwörungsmentalität als Krisenreaktion
Der dritte potenzielle Einflussfaktor wird aktuell am eingehendsten diskutiert und umfasst verschiedene psychologische Grundbedürfnisse und Strategien zu deren Erfüllung in Krisensituationen. Dies ist zunächst das Bedürfnis, für scheinbar unerklärliche und unkontrollierbare Zustände und Ereignisse Erklärungen zu finden, sowie das korrespondierende Bedürfnis, die eigenen Lebensumstände und gesellschaftliche Entwicklungen gestaltend beeinflussen zu können.[18] Daher riefen Geschehnisse, für die es zunächst keine zufriedenstellende Erklärung gibt, ein Gefühl des Kontrollverlustes hervor. Dieser könne durch eine Verschwörungsmentalität teilweise kompensiert werden: Zwar bliebe die Situation vorerst unbeeinflussbar, aber mit der Benennung einer Verschwörung würde diese Machtlosigkeit zumindest erklärt. Es würden Schuldige für die Situation identifiziert, deren Handeln zumindest potenziell unterbunden und die zur Rechenschaft gezogen werden könnten.[19]
Die Covid-19-Pandemie als gesundheitliche und wirtschaftliche Krise führte zu Sorgen um den Arbeitsplatz, Sorgen um die wirtschaftliche Lage und Angst vor einer Infektion mit dem Virus.
Allerdings stellen Clara Schließler et al. 2020 nur eine geringe Korrelation zwischen einem solchen Bedrohungsgefühl und der Ausprägung einer Verschwörungsmentalität fest.[20] Die Analyse der Daten des NDM 2021 bietet hier ein vielschichtiges Bild: Zunächst zeigt sich, dass die Sorge um die berufliche Zukunft in der niedersächsischen Bevölkerung gering ausfiel. So gaben nur ca. 16 Prozent der Befragten an, dass sie sich sehr große oder zumindest wenige Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen. Die gesundheitlichen Sorgen waren stärker verbreitet: Ca. vierzig Prozent der Befragten gaben an, Angst vor einer schweren Erkrankung zu haben, 67 Prozent hatten Angst vor der Erkrankung eines engen Angehörigen.
In unserer Regressionsanalyse lässt sich erkennen, dass die Sorge vor beruflichen Auswirkungen einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Verschwörungsmentalität hatte, dieser jedoch verschwindet, sobald man das formelle Bildungsniveau der Befragten berücksichtigt. Die Sorge um berufliche Auswirkungen scheint sich demnach zwischen Befragten mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen systematisch zu unterscheiden, hatte jedoch weniger Einfluss als das Bildungsniveau an sich. Die Angst vor einer eigenen Erkrankung und die Angst vor einer Erkrankung Angehöriger zeigten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Verschwörungsmentalität. Dies könnte jedoch auch daran liegen, dass eine Verschwörungsmentalität – sobald sie einmal entwickelt wurde – diese Ängste sehr schnell reduziert. Der theoretische vermutete Effekt ließe sich in dem Fall nur für eine sehr kurze Zeit auch tatsächlich messen.
So stellt sich die Frage, ob sich ein Bedrohungsgefühl nur für solche Befragte in eine Verschwörungsmentalität übersetzt, deren Verunsicherung nicht durch das Vertrauen in politische Institutionen aufgefangen wird. Um dies zu prüfen, wurde der gemeinsame Effekt von Institutionenvertrauen und Bedrohungswahrnehmung auf die Ausprägung einer Verschwörungsmentalität modelliert; die Ergebnisse sind jedoch nicht signifikant. Insgesamt lassen sich damit sowohl aus den Daten des NDM 2021 als auch aus anderen Analysen wie denen von Clara Schließler et al. keine Indizien ableiten, die für einen kurzfristigen »Corona-Effekt« auf die Verbreitung einer Verschwörungsmentalität sprechen.
Modell 1 | Modell 2
Konstante
| 1,06***
| 1,53***
| Demokratiezufriedenheit (Ref: Sehr zufrieden)
|
|
| Eher zufrieden
| 0,05
| 0,04
| Teils/teils
| 0,31*
| 0,24
| Eher unzufrieden
| 0,33
| 0,25
| Sehr unzufrieden
| 0,80***
| 0,72**
| Politisches Vertrauen (Ref: Vertraue stark)
|
|
| Vertraue eher
| 0,31*
| 0,28*
| Teils/teils
| 0,10
| -0,20
| Vertraue eher nicht
| 0,59***
| -0,50**
| Vertraue überhaupt nicht
| 0,86***
| 0,77**
| Angst vor Erkrankung (Ref: Ja, sehr)
|
|
| Ja, ein wenig
| -0,10
| -0,01
| Nein, eher nicht
| 0,08
| 0,11
| Nein, gar nicht
| 0,09
| 0,13
| Ich war bereits infiziert.
| 0,40
| 0,52
| Angst vor Erkrankung Angehöriger (Ref: Ja, sehr)
|
|
| Ja, ein wenig
| -0,03
| -0,02
| Nein, eher nicht
| -0,13
| -0,10
| Nein, gar nicht
| -0,04
| 0,01
| Sorge vor beruflichen Auswirkungen (Ref: Nein)
| -0,24*
| -0,20
| Alter
|
| 0,01
| Geschlecht (Ref: Männlich)
|
|
| Weiblich
|
| 0,07
| Einkommen
|
| -0,00
| Bildung (Ref: Ohne Volks- Hauptschulabschluss)
|
|
| Volks-/Hauptschulabschluss
|
| -0,46
| Mittlere Reife, Realschulabschluss, Fachschulreife
|
| -0,56*
| Abschluss der Polytechnischen Oberschule (8./10 Klasse)
|
| 0,02
| Fachhochschulreife, Abschluss einer Fachoberschule
|
| -0,64*
| Abitur, allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife
|
| -0,93**
| Korrigiertes in Prozent
| 13,23
| 18,11
| n
| 600
| 597
| F
| 6,71
| 6,49
| Prob > F
| 0,0000***
| 0,0000*** | |
Entwicklungen im Zeitverlauf der Pandemie
Da der NDM nicht zusätzlich im Jahr 2020 oder 2022 erhoben wurde, ist eine direkte Beobachtung von Verschwörungsmentalitäten in Niedersachsen im Zeitverlauf der Pandemie nicht möglich. Laut bundesweiten Daten der Leipziger Autoritarismus-Studie für den Zeitraum von 2012 bis 2022 nahm die Verbreitung einer Verschwörungsmentalität nahezu stetig ab – lediglich im Pandemiejahr 2020 ließ sich ein vorübergehender Anstieg beobachten. Die drei Aussagen, die in der Studie zur Messung einer Verschwörungsmentalität genutzt werden (nur eine stimmt mit denen des NDM überein, weshalb die Werte nicht verglichen werden können), fanden 2012 noch bei ca. 45 Prozent der Befragten eine durchschnittliche Zustimmung, 2022 waren es nur noch 25 Prozent. Selbst 2020 betrug dieser Wert nur ca. 38 Prozent der Befragten.[21] Dieser starke Rückgang könnte – so interpretieren es die Autor:innen – nach dem Ende der Covid-19-Pandemie auf ein stark gesunkenes Bedürfnis nach vermeintlichen Erklärungen durch Verschwörungserzählungen zurückgehen. Er könnte jedoch auch durch eine Sensibilisierung für Verschwörungserzählungen im Zuge der Covid-19-Pandemie hervorgerufen sein, durch die Befragte auf eine stärker reflektierte Einstellung als noch 2018 zurückgreifen können, wenn sie befragt werden. Schließlich ist ebenfalls denkbar, dass sich die Verbreitung einer Verschwörungsmentalität nicht geändert hat, aber Befragte auf entsprechende Fragen zurückhaltender antworten.
Es ist allerdings auch möglich, dass eine Bedrohungswahrnehmung während der Pandemie nur den Glauben an Covid-19-spezifische Verschwörungserzählungen beeinflusst hat und nicht, wie in dieser Analyse getestet, die generelle Verschwörungsmentalität.[22] Das würde dafür sprechen, die wissenschaftliche Analyse in zukünftigen Krisen auf die Zustimmung zu spezifischen Verschwörungserzählungen zu fokussieren, da diese vermutlich eine weit stärkere Dynamik aufweist als die Ausprägung einer tiefreichenden Verschwörungsmentalität.
Fazit
Die hier vorgestellten Analysen und Befunde lassen eine vorsichtige Entwarnung vor der befürchten langfristigen Ausbreitung einer Verschwörungsmentalität durch einen »Corona-Effekt« zu. Schon während der Pandemie hatten vor allem Einstellungen zum Institutionenvertrauen und zur Demokratie einen Effekt auf die Stärke einer Verschwörungsmentalität unter niedersächsischen Befragten – unmittelbare Krisenerfahrungen spielten kaum eine Rolle. Demnach ist die langfristige Entwicklung dieser Einstellungen von größerer Relevanz für die Verbreitung einer Verschwörungsmentalität als die gesellschaftliche Ausnahmesituation der Covid-19-Pandemie.
Bundesweite Daten im Zeitverlauf legen sogar einen gegenläufigen »Corona-Effekt« nahe, auch wenn die Gründe für den Rückgang einer Verschwörungsmentalität in Befragungen noch nicht eindeutig geklärt sind. Analysen zum Glauben an einzelne Verschwörungserzählungen im Zeitverlauf deuten darauf hin, dass sich hier eine politisch wie akademisch relevantere Dynamik abspielt. Die Konjunktur und Verbreitung einzelner Verschwörungserzählungen sowie deren gegenseitige Ablösung oder Ergänzung sollte daher im Blick behalten werden.
Anhang
Verschwörungsmentalität
Die staatlichen Behörden überwachen alle Bürger genau*
| Ereignisse, die auf den ersten Blick nicht miteinander in Verbindung zu stehen scheinen, sind oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten*
| Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben*
| Politisches Vertrauen
| Wie sehr vertrauen Sie der Bundesregierung?***
| Zufriedenheit
| Wie zufrieden sind Sie allgemein mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland?**
| Sorgen und Ängste in der Pandemie
| Haben Sie Angst davor, durch eine Ansteckung mit dem Corona Virus schwer zu erkranken?****
| Haben Sie Angst davor, dass Angehörige durch eine Ansteckung mit dem Corona Virus schwer erkranken?*****
| Machen Sie sich infolge der Pandemie Sorgen um ihre berufliche Zukunft?*****
| *stimme voll und ganz zu, stimme eher zu, stimme eher nicht zu, stimme überhaupt nicht zu
| ** sehr zufrieden, eher zufrieden, teils/ teils, eher unzufrieden, sehr unzufrieden
| *** vertraue stark, vertraue eher, teils/teils, vertraue eher nicht, vertraue überhaupt nicht
| **** ja sehr, ja ein wenig, nein eher nicht, nein gar nicht, ich war bereits infiziert
| *****ja sehr, ja ein wenig, nein eher nicht, nein gar nicht | |
Literatur::
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[1] Vgl. Lamberty, Pia/Heuer, Corinne/Holnburger, Josef: Belastungsprobe für die Demokratie. Pro-russische Verschwörungserzählungen und Glaube an Desinformation in der Gesellschaft, Berlin 2022.
[2] Diese repräsentative Befragung erhebt alle zwei Jahre Einstellungen zur Demokratie in Niedersachsen.
[3] Vgl. Hepfer, Karl: Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft, Bielefeld 2015, S. 24.
[4] Vgl. Imhoff, Roland/Decker, Oliver: Verschwörungsmentalität als Weltbild, in: Brähler, Elmar/Decker, Oliver/Kiess, Johannes (Hrsg.): Rechtsextremismus der Mitte, Leipzig 2013, S. 146–161, hier S. 148. https://doi.org/10.30820/9783837966367.
[5] Barkun, Michael: A culture of conspiracy: apocalyptic visions in contemporary America, Berkeley 2013, S. 3–4.
[6] Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: »Bausteine« zu einer Theorie über »Verschwörungstheorien«: Definitionen, Erscheinungsformen und Funktionen und Ursachen, in: Reinalter, Helmut (Hrsg.): Verschwörungstheorien: Theorie – Geschichte – Wirkung, Innsbruck u. a. 2002, S. 30–44, hier S. 33.
[7] Vgl. Nocun, Katharina/Lamberty, Pia: Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen, Köln 2020, S. 21.
[8] Vgl. Popper, Karl Raimund: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde: Hegel, Marx und die Folgen. Band II: Falsche Propheten, Tübingen 1992, S. 112.
[9] Vgl. Moscovici, Serge: The Conspiracy Mentality, in: Graumann, Carl F./ Moscovici, Serge (Hrsg.): Changing conceptions of conspiracy, New York 1987, S. 151–168, hier S. 156.
[10] Vgl. Imhoff/Decker: Verschwörungsmentalität als Weltbild, S. 149.
[11] Schenke, Julian et al.: Niedersächsischer Demokratie-Monitor: Politische Einstellungen in Niedersachsen während der Corona-Pandemie, Göttingen 2021, S. 28–29.
[12] Vgl. Butter, Michael: »Nichts ist, wie es scheint«. Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018, S. 116.
[13] Vgl. Freeman, Daniel/Bentall, Richard P.: The concomitants of conspiracy concerns, in: Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, Jg. 52 (2017), H. 5, S. 595–604, hier S. 597, https://doi.org/10.1007/s00127-017-1354-4.
[14] Vgl. Van Prooijen, Jan-Willem: Why Education Predicts Decreased Belief in Conspiracy Theories, in: Applied Cognitive Psychology, Jg.31 (2017), H. 1, S. 50–58, hier S. 56.
[15] Miller, Joanne M./L. Saunders, Kyle/E. Farhart, Christina: Conspiracy Endorsement as Motivated Reasoning: The Moderating Roles of Political Knowledge and Trust, in: American Journal of Political Science, Jg.60 (2016), H. 4, S. 824–844, hier S. 827. https://doi.org/10.1111/ajps.12234.
[16] Vgl. Miller/Saunders/Farhart: Conspiracy Endorsement as Motivated Reasoning, S. 837.
[17] Abalakina-Paap, Marina et al.: Beliefs in Conspiracies, in: Political Psychology, Jg.20 (1999), H. 3, S. 637–647, hier S. 644. https://doi.org/10.1111/0162-895X.00160.
[18] Vgl. Imhoff/Decker: Verschwörungsmentalität als Weltbild, S. 157.
[19] Vgl., Ebd.
[20] Vgl. Schließler, Clara/Hellweg, Nele/Decker, Oliver: Aberglaube, Esoterik und Verschwörungsmentalität in Zeiten der Pandemie, in: Decker, Oliver/Brähler, Elmar (Hrsg.): Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität, Gießen 2020, S. 283–308.
[21] Vgl. Decker, Oliver et al.: Die Leipziger Autoritarismus Studie 2022: Methode, Ergebnisse und Langzeitverlauf, in: Decker, Oliver et al. (Hrsg.): Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten: Neue Herausforderungen – alte Reaktionen?, Gießen 2022, S. 31–90, hier S. 81. Die Befragungen fanden im Mai und Juni 2020 bzw. von März bis Mai 2022 statt.
[22] Neu, Viola: »Das ist alles bewiesen.« Ergebnisse aus repräsentativen und qualitativen Umfragen zu Verschwörungstheorien in Deutschland. Monitor Wahl- und Sozialforschung, Berlin 2023, S. 7.