Programmatisch kündigt der Parteivorsitzende – drittens – an, die »Anschlussfähigkeit« der Partei in den Vordergrund rücken zu wollen, »die sogenannte Graswurzelarbeit«, wie es der NPD-Chef nennt, müsse vorangetrieben werden. Er schreibt: »Wir müssen hart sein, dürfen bei der Formulierung unserer Ziele aber nicht skurril wirken.«[19] Organisatorisch wolle man den »Ausbau unseres Fundaments auf kommunaler Ebene in den Kreisverbänden« fördern; für Franz »die Grundvoraussetzung für stabile Landesverbände«. Thematisch-inhaltlich soll »die Herstellung der vollständigen Selbstbestimmtheit« im Wahlkampf und darüber hinaus betont werden. Der NPD-Chef schreibt: »Wir wollen nicht Befehlsempfänger, sondern ein freies und selbstbestimmtes Volk sein.«[20] Zudem sollle die Partei »die soziale Frage wieder deutlich stärker akzentuieren«[21]. Es beginne eine neue Zeit. Das Scheitern des Verbotsverfahrens habe »viele Mitglieder und Aktivisten regelrecht beflügelt«[22]. Am Ende des Jahres, so Franz, werde man finanziell konsolidiert sein und »organisatorisch eine stets kurzfristig abrufbare Kampagnenfähigkeit vorweisen«[23].

Ordnen wir diese drei Rahmungen, entsteht ein uneinheitliches Bild, das zwischen Wandel und Kontinuität changiert. Denn die Pose einer vom Staat verfolgten Partei gehört zu den Leiterzählungen der NPD – letztlich fast seit ihrer Gründung. Die Bekundungen, künftig und prinzipiell am »Abstammungsprinzip« festhalten zu wollen, bestätigen inhaltlich letztlich das Karlsruher Urteil, das die ethnische Ausgestaltung des Volksbegriffes der NPD als konstitutionell für die Partei herausstellte. Das Postulat der Herstellung von »Anschlussfähigkeit« hingegen konterkariert vorhandene Abgrenzungs- und Radikalisierungsbestrebungen, die sich nicht nur intern abzeichnen, sondern auch formal-öffentlich beispielsweise in Personalentscheidungen auf dem Saarbrücker Bundesparteitag im März 2017 ihren Ausdruck fanden. Mit dem Thüringer Thorsten Heise war ein Vertreter des radikaleren Parteienflügels bei der Vorstandswahl gegen den innerparteilich als gemäßigt geltenden saarländischen Parteichef Franz angetreten und unterlag mit 69 zu 102 Stimmen. Hier könnte im Ansatz bereits zu erkennen gewesen sein, was der Partei künftig bevorstehen könnte: nämlich inhaltlich radikalere Ausrichtungen und Positionierungen, Bestrebungen, die Partei dezidiert und deutlich erkennbar rechts von der AfD zu positionieren, sie weiter zu öffnen für derzeit nur leicht verbundene subkulturell auftretende Szenen und Milieus, die in den vergangenen Jahren zur NPD auf Distanz gegangen sind. Ausgemacht ist das freilich nicht. Die darniederliegende Partei ist vielmehr und gezwungenermaßen suchend; wobei der bevorstehende Bundestagswahlkampf zunächst noch disziplinierende Wirkung auf ihre Entwicklung haben dürfte, die inneren Fliehkräfte noch mindert.[24] Wobei die Partei vermutlich noch weniger als zuletzt ohnehin schon auf den Straßen präsent sein wird. Aktivisten halten den »metapolitischen Krieg« zunehmend für bedeutsam, wie niedersächsische Parteikader mitteilen. Zwar stehe dann auch der »parlamentarische Kampf« an, zunächst aber eben der metapolitische. Das »Rumreiten auf alte[n] politische[n] Siege[n] und Prozesse[n] oder auf alte[n] politische[n] Kader[n]« seien »Hauptfehler vergangener Jahre« gewesen, die man hinter sich zu lassen gedenke. Man arbeite, so teilt ein niedersächsischer Aktivist per Mail mit, bundesweit an »Analysen, die in der Gründerstadt der NPD zentral zusammengefasst werden«. In diesem Zusammenhang seien klassische »Lautsprecherrundfahrten« bloß noch »Reste der alten Strategie«. Beruhigen muss das nicht. 

[1] Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 17. Januar 2017: Urteil vom 17. Januar 2017 2 BvB 1/13, URL: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html [eingesehen am 28.08.2017]; vgl. zudem BVerG, Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – Rn. (1-1010), URL: http://www.bverfg.de/e/bs20170117_2bvb000113.html [eingesehen am 28.08.2017].

[2] Hier stark angelehnt an Geiges, Lars: Zum NPD-Urteil, in: Blog des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, 17.01.2017, URL: http://www.demokratie-goettingen.de/blog/npd-urteil-2017 [eingesehen am 28.08.2017].

[3] Litschko, Konrad: Ein starkes Zeichen, in: die tageszeitung, 17.01.2017, URL: http://www.taz.de/!5375139/ [eingesehen am 28.08.2017].

[4] Ein NPD-Verbot »wäre vorbeugender Opferschutz gewesen« – als weiterer Kritikpunkt benannt von Prantl, Heribert: Braun bleibt, in: Süddeutsche Zeitung, 18.01.2017, URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/npd-verfahren-braun-bleibt-1.3336384 [eingesehen am 28.08.2017].

[5] Vgl. dazu Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes zum Zweck des Ausschlusses extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung, Drucksache 18/12100, 26.04.2017, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/121/1812100.pdf [eingesehen am 28.08.2017]; früh und kritisch zum Vorgang des Entzuges der Finanzierung für verfassungsfeindliche Parteien durch eine Grundgesetzänderung vgl. Morlock, Martin: Kein Geld für verfassungsfeindliche Parteien?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, Jg. 0 (2017), H. 3, S. 66–69.

[6] Das bezweifelt die NPD freilich. »Angesichts dieses noch sehr langen und schwierigen Weges, den die Altparteien vor sich haben, ist der Gesetzesbeschluß vom 22. Juni 2017 derzeit schlicht irrelevant«, kommentiert beispielsweise Richter, Peter: Die Chancengleichheit der Parteien ist zentraler Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung!, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 8, S. 13.

[7] Dem Bericht liegen Zahlen für das Jahr 2015 zugrunde; vgl. dazu Cruzcampo, Oliver: Jeder zweite Euro vom Staat, in: Endstation Rechts, 24.08.2017, URL: http://www.endstation-rechts.de/news/kategorie/npd/artikel/npd-finanzen-jeder-zweite-euro-vom-staat.html [eingesehen am 28.08.2017]; vgl. Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode: Unterrichtung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Bekanntmachung von Rechenschaftsberichten politischer Parteien für das Kalenderjahr 2015, Drucksache 18/13030, 28.06.2017, S. 93–114, URL: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/130/1813030.pdf [eingesehen am 28.08.2017].

[8] Vgl. dazu Borstel, Dierk/Luzar, Claudia: Geländegewinne – Update einer Zwischenbilanz rechtsextremer Erfolge und Misserfolge, in: Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten, Wiesbaden 2016, S. 39–54.

[9] Vgl. Meier, Horst: Verbot der NPD – ein deutsches Staatstheater in zwei Akten. Analysen und Kritik 2001–2014, Berlin 2015.

[10] Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 1, S. 1.

[11] Franz, Frank: Sozial. National. Legal, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 2, S. 1.

[12] Ebd., S. 2.

[13] Schreiber, Peter: Ja zu Deutschland – Ja zum deutschen Volk!, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 5, S. 12.

[14] Ebd.

[15] Ebd.

[16] Schreiber, Peter: »Nach diesen Maßstäben ist der Verbotsantrag …«, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 2, S. 12.

[17] Ebd.

[18] Vgl. DS-Gespräch mit Frank Franz: »Deutschland ist das Land und die Heimat der Deutschen!«, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 7, S. 4.

[19] Franz: Sozial. National. Legal, S. 2.

[20] DS-Gespräch mit Frank Franz: »Deutschland ist das Land und die Heimat der Deutschen!«, S. 3.

[21] Ebd.

[22] DS-Gespräch mit Frank Franz: »Was uns nicht verbietet, macht uns nur noch stärker!«, in: Deutsche Stimme, Jg. 41 (2017), H. 3, S. 3–4, hier S. 4.

[23] Ebd.

[24] Vgl. Kopke, Christoph: Die extreme Rechte als Wahlkampfakteur, in: Virchow, Fabian et al. (Hrsg.): Handbuch Rechtsextremismus, Wiesbaden 2016, S. 225–256.