Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als Potenzial rechtsradikaler ParteienWie die AfD Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 aufgreift
Frau rassistisch beleidigt: Berliner AfD-Politiker Borrmann vor Gericht« [1] oder »AfD-Politikerin warnt vor ›entarteter Regenbogenvielfalt‹«[2] – so schrieben die Berliner Zeitung und Queer. Die öffentliche Kommunikation der AfD, eine in Teilen als eindeutig rechtsextrem eingestufte Partei[3], weist – so zeigen die Beispiele – mehrere Komponenten Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) auf. In welchem Ausmaß finden jedoch diese Haltungen explizit Eingang in die politische Programmatik der AfD?
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit Elementen der GMF im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021. Sein Schwerpunkt liegt ausschließlich auf den politischen Angeboten der AfD, wie sie im Wahlprogramm festgehalten werden. Andere Äußerungen, etwa via Social Media oder in Reden, werden nicht einbezogen. Wahlprogramme sind, verglichen mit anderen Äußerungen, zwar oft weniger radikal und explizit. Dies macht sie aus wissenschaftlicher Sicht sehr wertvoll. Wahlprogramme sind innerparteilich ausgehandelte, bewusst beschlossene Dokumente, mit denen die Partei sich nach außen darstellt. Eben weil es hier am wenigsten wahrscheinlich ist, dass Elemente der GMF offiziell verankert sind, kann bei entsprechenden Befunden auf die Existenz tiefsitzender Ideologieelemente geschlossen werden.
Der Begriff der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wurde vom Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer Anfang dieses Jahrtausends[4] eingeführt und erfreut sich seitdem großer Beliebtheit. Mit der Entwicklung des Konzeptes sollte eine Erklärung der gesellschaftlichen Zustände geleistet werden, wobei es darum geht, Prozesse und Veränderungen im Umgang mit benachteiligten Gruppen in der Öffentlichkeit zu identifizieren.
In diesem Kontext wird die Ebene eines Feindschaftsverhältnisses zwischen Einzelpersonen verlassen und die Menschenfeindlichkeit gegenüber Gruppen konkretisiert. Werden Personen wegen ihrer gewählten oder zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig angesehen, erfahren sie Anfeindungen und Ausgrenzungen. In diesem Fall wird von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gesprochen. [5] Die Grundkonzeption besteht aus sieben Elementen: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Heterophobie, Islamophobie, (die Verteidigung von) Etabliertenvorrechten[6] und Sexismus. [7] Eine Besonderheit des Konzeptes ist, dass es nicht nur eine Erklärung für die Diskriminierung von Menschen fremder Herkunft liefern kann, sondern auch Anfeindungen gegenüber Menschen, deren Verhaltensweisen und Lebensstile von der gesellschaftlichen »Norm« abweichen, einbezieht. Letztlich werten Mitglieder der Gesellschaft andere Mitglieder der Gesellschaft als »ungleichwertig« ab und sehen sie nicht mehr als gleichberechtigt an. Im Folgenden werden die Kernelemente des GMF-Konzeptes kurz vorgestellt und daraufhin untersucht, inwieweit sie sich im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 finden lassen.
Rassismus
Wie die oben zitierte Schlagzeile der Berliner Zeitungverdeutlicht, äußern sich einige AfD-Mitglieder offen rassistisch. Im Rahmen der GMF beschreibt das Element Rassismus eine Ungleichheit, die zwischen Gruppen durch die Konstruktion einer »natürlichen« Höherwertigkeit der eigenen Gruppe hergestellt wird. [8] In diesem Kontext wird in Deutschland vor allem die Überlegenheit von Personen mit deutscher Abstammung behauptet. Im hier analysierten AfD-Wahlprogramm von 2021 werden implizit rassistische Narrative verfolgt und mit Debatten um eine deutsche Identität verflochten. Dies schlägt sich beispielsweise in der klaren Trennung zwischen »deutscher« Identität und der anderer Gruppen nieder. »Deutsche Leitkultur statt ›Multikulturalismus‹« (158[9]) lautet zum Beispiel die Überschrift im Kulturabschnitt des Wahlprogramms. Auch wenn expressis verbis keine Höherstellung erfolgt, ist die Sicherung der »deutschen Kultur« ein Anliegen der AfD. Dies verfolgt sie auf zwei Arten – über die Staatsbürgerschaft und über Leitkultur (96f.; 101f.).
Die deutsche Staatsangehörigkeit wird zum Symbol des Deutschseins erhöht. Die Überschrift »Die deutsche Staatsangehörigkeit ist ein kostbares Gut« (101) leitet die politische Forderung nach einer Rückkehr zum Abstammungsprinzip ein. Die AfD spricht sich damit konsequent gegen das mittlerweile eingeführte Geburtsortprinzip aus, denn es verringert in ihren Augen angeblich den Wert des deutschen Passes, da es Menschen möglich werde, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, ohne ein deutsches Elternteil zu haben. Die AfD erklärt in ihrem Wahlprogramm: »Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit soll als Erfolg eigener Anstrengung erlebt werden und die Betroffenen mit Stolz erfüllen« (101). Das hätte zur Folge, dass Menschen ohne deutsche Eltern etwas für den Pass leisten müssten, wie zum Beispiel einen Einbürgerungstest, obwohl sie am gleichen Ort geboren sind. Der Gruppe mit dem deutschen Pass würden mehr Rechte zuteil als diesen anderen Menschen.
Im Teil des Wahlprogrammes, der sich mit Kultur beschäftigt, wird vor allem eine deutsche Leitkultur hervorgehoben. Eine spezifisch deutsche, identitätsstiftende Kultur sei »eng verbunden mit dem Christentum, der Aufklärung, unseren künstlerischen und wissenschaftlichen Werken« (158). Ein Wunsch der Partei ist es, dass das »deutsche Kulturgut« wieder verstärkt im Unterricht vermittelt und dadurch Heimatliebe und Traditionsbewusstsein gefördert werden (152). Dieser Wertekonsens wird als identitätsbildend und als Unterscheidungsmerkmal zu nicht-deutschen Menschen angesehen (158). Die genannte deutsche Leitkultur wird direkt als Merkmal zur Abgrenzung zu anderen Gruppen genutzt, was darauf abzielt, eine Ungleichheit zu erreichen.
Fremdenfeindlichkeit
Fremdenfeindlichkeit, welche in manchen Auslegungen der GMF auch als Ausländerfeindlichkeit angegeben wird, begründet die Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund. Wobei die Bezeichnung »Menschen mit Migrationshintergrund« nicht klar im Konzept definiert ist und unterschiedliche Personen betreffen kann.
Analytisch begründet wird dieses GMF-Element mit Angst und einer wahrgenommenen Bedrohung, in einen Konkurrenzkampf um knappe Ressourcen zu geraten. [10] Es besteht die Befürchtung, Ressourcen wie Wohnraum oder Arbeit an Personen mit Migrationshintergrund zu verlieren. Zudem werden kulturelle Differenzen ebenfalls als Gefahr und Angriff auf die beschriebene Leitkultur wahrgenommen. Fremdenfeindliche Einstellungen entstehen vor allem gegenüber Menschen, die von den kulturellen Normvorstellungen des eigenen Landes abweichen. In Deutschland sind diese Vorurteile vorwiegend gegen Personen aus dem muslimischen Kulturkreis gerichtet. [11]
Der gefürchtete Konkurrenzkampf um materielle Ressourcen wird explizit im AfD-Wahlprogramm aufgegriffen und an mehreren Stellen zur Begründung der eigenen politischen Forderungen genutzt. Die Partei fordert eine Zurücknahme der Sozialleistungen für Asylbewerber:innen und asylanerkannte Personen. Sie schreibt: »Die Asylanerkennung führt zu einer sofortigen Gleichstellung in allen sozialen Sicherungssystemen, ohne jede vorangegangene Teilnahme am Solidarsystem. Das ist sozial ungerecht« (96). Weiterhin soll die Berechtigung von EU-Ausländer:innen zur Grundsicherung stark reguliert und eingegrenzt werden (118). Letztlich lässt sich an diesen Forderungen erkennen, dass nur Personen ohne Migrationshintergrund einen Anspruch auf mehr Sozialleistungen haben sollten. Es findet eine klare Gruppentrennung hinsichtlich der geforderten Verteilung von Ressourcen statt und es wird eine soziale (und gleichzeitig fremdenfeindlich grundierte) Hierarchie der Ansprüche gebildet.
Antisemitismus
Antisemitismus beruht innerhalb des Konzepts der GMF auf Vorurteilen gegenüber jüdischen Menschen. In Abgrenzung zum GMF-Element Fremdenfeindlichkeit drückt sich Antisemitismus darin aus, dass der jüdischen Bevölkerung die Schuld an Fehlentwicklungen oder Katastrophen zugeschrieben wird. [12] Solche Einstellungen basieren meist auf der Annahme, dass jüdische Menschen in Deutschland zu viel Einfluss hätten. [13] Allerdings möchte es die AfD aktiv vermeiden, in der Öffentlichkeit als antisemitische Partei gesehen zu werden, weshalb das Thema im Bundeswahlprogramm ausgespart wurde. [14]
Heterophobie
Ein weiterer Bestandteil der GMF ist das Element der Heterophobie. Im Anfangsmodell von Heitmeyer werden darunter alle Verhaltensweisen und Lebensstille gefasst, welche von der gesellschaftlichen »Norm« abweichen.[15] In neuen Studien wird der umfassende Begriff untergliedert in die Abwertung Homosexueller, von Menschen mit Behinderung, von Langzeitarbeitslosen und Obdachlosen. [16] In ihrem Wahlprogramm zeichnet die AfD ein klares Bild der von ihr gewünschten Gesellschaft und legt somit eine Norm, welche stark durch wertkonservative Anschauungen geprägt ist, fest. Sie vertritt also eine Partei-Ideologie, welche aus einer Sammlung normativer Vorstellungen bezüglich der Menschen und der Organisation der Gesellschaft besteht. [17] Das Besondere ist, dass alles, was von dieser im Wahlprogramm festgelegten Norm abweicht, herabgesetzt wird.
Das AfD-Programm beinhaltet zum Beispiel einen ganzen Abschnitt zu Familienpolitik, der die Familie als heterosexuelle (Klein)familie festschreibt: »Die AfD bekennt sich zur Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft. Sie besteht aus Vater, Mutter und Kindern« (104). Alternative Familienformen, welche zum Beispiel aus zwei gleichgeschlechtlichen Elternteilen bestehen, werden abgelehnt. Nicht nur Menschen, die Teil einer nicht-»traditionellen« Familie sind, werden abgewertet, sondern auch die Lebensweise ohne Kinder. Die AfD schreibt: »Der Gedanke einer vorrangigen ›Selbstverwirklichung‹ hat dazu geführt zugunsten von Einkommen und Karriere Kinderwünsche zurückzustellen oder gänzlich aus der eigenen Lebensplanung zu verdrängen« (104).
Ein explizites Ziel der Familienpolitik der Partei ist es, höhere Geburtenraten in Deutschland zu erreichen. In diesem Politikfeld schlägt sich die von der AfD vorgenommene Unterteilung in Gruppen (mit Migrationshintergrund und ohne; heterosexuelle Kleinfamilie und alle anderen) ebenfalls nieder. Finanzielle Auswirkungen sollen alle zu spüren bekommen, die nicht Teil der normierten Familie nach den Vorstellungen der AfD sind.
Mit der Einführung eines Ehe-Start-Kredits sollen Verheiratete unterstützt werden; für jedes geborene eheliche Kind sieht die AfD einen Teil¬erlass des Kredites vor (107f.). Menschen, welche nicht heiraten möchten, nicht verheiratet sind oder keine Kinder bekommen können oder wollen, würden dementsprechend keine finanzielle Unterstützung erhalten.
Das AfD-Wahlprogramm weist zudem Inhalte auf, die sich (implizit) gegen LGBTQIA*-Personen richten. Es spricht sich zum Beispiel gegen Leihmutterschaften aus (112), wodurch vor allem Menschen der LGTBQIA*-Community benachteiligt werden, da dies oft ihr einziger Weg zu einem eigenen Kind ist. Die Partei fordert zudem, dass Kinder ohne die Aufklärung über verschiedene sexuelle Identitäten aufwachsen sollen, da die AfD fürchtet, eine solche könne die Kinder »massiv in ihrer Entwicklung stören« (114). Mit diesem Ansatz wird Heterosexualität höherwertig gegenüber den anderen sexuellen Orientierungen gestellt. Auch wenn sich die Partei nicht offen gegen andere sexuelle Orientierungen ausspricht, wertet sie diese in dem Sinne ab, dass sie ihrer Ansicht nach nicht zur gesellschaftlichen »Norm« gehören und sich in der Öffentlichkeit nicht darüber ausgetauscht werden solle.
Überraschend bei der Analyse des Elementes Heterophobie ist, dass sich auch Aspekte im AfD-Programm finden, welche der GMF entgegenstehen: Es findet keine Abwertung von Obdachlosen und Menschen mit Behinderungen statt. Gegenteilig dazu werden gezielte Maßnahmen gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit sowie mehr Arbeitsplätze mit fairer Entlohnung für schwerbehinderte Menschen gefordert (122f.). Jenseits des Wahlprogrammes zeichnet sich allerdings ein anderes Bild ab. Die AfD-Fraktion stellte zum Beispiel eine Kleine Anfrage im Bundestag, wo es um die Anzahl behinderter Menschen in Deutschland und die Rolle von Eheschließungen unter Migrant:innen ging. [18] Sie bezog sich dabei auf einen Beitrag des RBB, der über das Thema Inzest am Beispiel einer jordanischen Familie berichtete. [19] Zudem stellt die AfD das Leben mit Behinderung als etwas Unerträgliches dar und als etwas, was unbedingt verhindert werden sollte. Das Leben von Behinderten wird von der AfD nicht als lebenswert angesehen, so warnen achtzehn deutsche Sozialverbände. [20]
Islamophobie
Menschenfeindliche Einstellungen im Kontext von Islamophobie stützen sich bei muslimfeindlichen Menschen vor allem auf Gefühle der Bedrohung. In Deutschland, wie auch in anderen Ländern mit großen muslimischen Communities, besteht die Tendenz, dass Muslim:innen und Ausländer:innen in der gesellschaftlichen Betrachtung oft gleichgesetzt und nicht als »integrale[r] Bestandteil der einheimischen Mehrheitsgesellschaft« angesehen werden. [21] Somit können ablehnende Einstellungen gegenüber der Gruppe von Muslim:innen aufgrund ihrer Kultur und Religion gehegt werden, aber auch »nur« aufgrund ihrer vermeintlichen Fremdheit innerhalb der Mehrheitsgesellschaft. [22]
Die AfD widmet dem Islam in ihrem Wahlprogramm ein ganzes Kapitel. Eindrückliche Forderungen wie ein Verbot der Zuwanderung von Muslim:innen nach Deutschland aufgrund einer Angst vor »Überfremdung« im eigenen Land werden jedoch nicht gestellt. In dem Abschnitt des Programms wird deutlich, dass Muslim:innen in Deutschland von der AfD nur toleriert werden, wenn sie sich integrieren und der Grundordnung und den Grundrechten des Landes folgen (84). Muslimische Menschen würden erst als Teil der Gesellschaft gesehen werden, wenn sie alles, was sie und ihre Kultur ausmache, ablegten. Muslimische Predigten sollten auf Deutsch gehalten werden und das Tragen von religiösen Gewändern wie der Burka solle in der Öffentlichkeit verboten werden (85f.). Im Endeffekt spiegeln diese Forderungen genau die Angst und jene Bedrohungsgefühle wider, auf denen menschenfeindliche Aussagen basieren. Das »Fremde«, sei es eine andere Sprache, Kleidung oder religiöse Symbole, soll (zumindest aus der Öffentlichkeit) verschwinden.
Dieses Ziel eines homogenen Staates ohne ethnische und kulturelle Minderheiten ist unter Ethnic Nationalism bekannt. [23] Ohne sich aktiv gegen die Gruppe der Muslim:innen auszusprechen, entspricht die Stoßrichtung dieser AfD-Forderungen genau den Wünschen von muslimfeindlichen Menschen. Das GMF-Element Islamophobie ist zudem eng mit dem der Fremdenfeindlichkeit verknüpft, da sowohl Muslim:innen als auch als solche wahrgenommene Ausländer:innen der GMF ausgesetzt sind.
Sexismus
Das letzte Element von GMF ist Sexismus. Ausgehend von einem binären Geschlechtersystem wird Männern aufgrund ihrer biologischen Merkmale eine Überlegenheit gegenüber Frauen attestiert. Daraus folgend wird eine gleichwertige Partizipation von Frauen in allen Lebensbereichen abgelehnt. [24] Das AfD-Wahlprogramm enthält die Formulierung: »das Geschlecht ist eine biologische Tatsache« (114). Hier wird ein Festhalten am binären Geschlechtersystem statuiert und damit einhergehende direkte (kulturelle) Verhaltensweisen durch das biologische Geschlecht definiert (114).
Die Rolle der Frau als Mutter wird besonders hervorgehoben. Die »Würdigung traditioneller Lebensentwürfe und die Wertschätzung der Lebensleistung von Frauen, die Familien gründen und Kinder großziehen« soll gestärkt werden (115). Die AfD lehnt eine Quotenregelung, die den ungleichen Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Diskriminierung von Frauen ausgleichen soll, ab. Sie schreibt: »Frauenquoten betrachten wir dementsprechend nicht als fortschrittlich. Sie stellen eine Form der Diskriminierung dar und verfestigen das Bild, dass ein erfülltes und anerkanntes Leben für Frauen nur durch eine berufliche Karriere erreicht werden könne« (115). Das Beispiel der Quotenregelung illustriert, dass die Partei von grundsätzlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen ausgeht, welche nicht behoben werden müssen. Allein in der Unterscheidung zwischen den beiden Geschlechtskategorien mit unterschiedlichen Merkmalen kann Sexismus erkannt werden. Zudem wenden sich die familienpolitischen Forderungen der AfD vorrangig an Frauen, die angeregt werden, sich für traditionellere Lebensentwürfe mit Familiengründung und Kindererziehung zu entscheiden (115). Diese Forderung, der zufolge die Verantwortung für Kinder bei Frauen liegt, ist als klassisch reaktionär-konservativ einzustufen. Dass sich genauso gut Männer oder Personen, welche sich nicht im binären Geschlechtssystem einordnen, gegen Karriere und für Kindererziehung entscheiden könnten, wird nicht berücksichtigt.
Ein düsterer Blick in die Zukunft?
GMF ist anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft. [25] In unsicheren Zeiten gesellschaftlicher Veränderung kann die Bildung von Outgroups identitätsstiftend wirken und das Aufrechterhalten von Vorurteilen ein Sicherheitsgefühl geben. Zudem wird eine Legitimation gebildet, um als Ingroup in ökonomischen Krisen mehr Rechte und Ressourcen als andere Menschen zu beanspruchen. [26] Das Gefährliche ist, dass die Kategorisierung von Menschen in Gruppen mit unterschiedlicher Wertigkeit durch die AfD positiv und rechtfertigend inszeniert wird und dazu beiträgt, dass GMF in der Gesellschaft stabilisiert wird.
Mit der Aufnahme von GMF-Elementen in ihr politisches Programm positioniert sich die AfD für ihre Wähler:innenschaft und eine angenommene deutsche und heteronormative In-Group. So greift die AfD Vorurteile auf, die innerhalb der Gesellschaft weit verbreitet sind und instru¬mentalisiert sie für ihren (elektoralen) Erfolg.
Literatur und Quellen::
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[1] Häußler, Maria: Frauen rassistisch beleidigt: Berliner AfD-Politiker Borrmann vor Gericht, in: Berliner Zeitung, 18.01.2023, URL: https://www.berliner-zeitung.de/news/frau-rassistisch-beleidigt-berliner-afd-politiker-kai-borrmann-vor-gericht-li.308293 [eingesehen am 03.08.2023].
[2] Blech, Norbert: AfD-Politikerin warnt vor »entarteter Regenbogenvielfalt«, in: Queer, 11.11.2021, URL: https://www.queer.de/detail.php?article_id=40200″ [eingesehen am 03.08.2023].
[3] Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat: Verfassungsschutzbericht 2022, Berlin 2023, S. 88.
[4] Vgl. Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 1, Frankfurt am Main 2002.
[5] Vgl. Heitmeyer, Wilhelm: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Die theoretische Konzeption und empirische Ergebnisse aus 2002, 2003 und 2004, in: Deutsche Zustände, H.3/2005, S.13–34, hier S. 5f.
[6] Das GMF-Element Verteidigung von Etabliertenvorrechten ist kein Teil der Analyse.
[7] Das Konzept wurde mittlerweile um die Elemente Antiziganismus, Abwertung von Asylbewerber:innen und geflüchteten Menschen, Trans*Menschen, wohnungslosen Menschen, Menschen mit Behinderung und langzeitarbeitslosen Menschen erweitert. Die Weiterentwicklung beruht größtenteils auf einer differenzierten Messung innerhalb des Elements Heterophobie, vgl. Zick, Andreas et al.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland 2002–2016, in: Zick, Andreas et al. (Hrsg.): Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016, Bonn 2016, S. 33–82, hier S. 37.
[8] Vgl. Heitmeyer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, S. 6.
[9] Im Folgenden werden für einen besseren Lesefluss die Seitenzahlen des AfD-Wahlprogramms direkt im Text in Klammern vermerkt.
[10] Vgl. Heitmeyer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, S. 6.
[11] Vgl. Steinbeißer, Dominik et al.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München. Forschungsbericht des Instituts für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2013, S. 8, https://doi.org/10.5282/ubm/epub.22206.
[12] Vgl. Steinbeißer et al.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München, S. 8.
[13] Vgl. Heitmeyer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, S. 10.
[14] Vgl. Pfahl-Traughber, Armin: Die AfD und der Rechtsextremismus. Eine Analyse aus der politikwissenschaftlichen Perspektive, Wiesbaden 2019, S. 19, https://doi.org/10.1007/978-3-658-25180-2. Betrachtet man die AfD jedoch über offizielle Parteiprogramme hinaus, findet zum Teil keine Abgrenzung zu antisemitischen Aussagen von Parteimitgliedern statt.
[15] Vgl. Heitmeyer: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, S. 6.
[16] Vgl. Steinbeißer et al: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München, S. 8.
[17] Vgl. Mudde, Cas: The ideology of the extreme right, Manchester 2002, S. 19.
[18] Deutscher Bundestag (2018): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Nicole Höchst, Franziska Gminder, Jürgen Pohl, Verena Hartmann und der Fraktion der AfD (Bundestagsdrucksache 19/1623, 12.04.2018, Berlin).
[19] o.V.: Die Cousine als Ehefrau – behinderte Kinder aus Verwandtenehen, in: Kontraste RBB, 31.07.2008, URL: https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/migration_integration/die_cousine_als_ehefrau.html [eingesehen am 20.08.2023].
[20] Schulte von Drach, Markus: »Die AfD wertet das Leben von Behinderten als nicht lebenswert ab«, in: Süddeutsche Zeitung, 23.04.2018, URL: https://www.sueddeutsche.de/politik/sozialverbaende-die-afd-wertet-das-leben-von-behinderten-als-nicht-lebenswert-ab-1.3956029 [eingesehen am 03.08.2023].
[21] Vgl. Steinbeißer et al: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München, S. 8.
[22] Ebenda.
[23] Bar-On, Tamir: The radical right and nationalism, in: Rydgren, Jens (Hrsg.): The Oxford handbook of the radical right, New York 2018, S. 17–41, hier S. 21, https://doi.org/10.1093/oxfordhb/9780190274559.013.2.
[24] Vgl. Steinbeißer et al: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München, S. 7.
[25] Vgl. Zick, Andreas et al.: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland 2002–2016, in: Zick, Andreas et al. (Hrsg.): Gespaltene Mitte – Feindselige Zustände: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016, Bonn 2016, S. 33–82, hier S. 34.
[26] Vgl. Steinbeißer et al: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in München, S. 49.